Genetisch unterscheiden sich Kayiner natürlich nicht von Mevongadern, aber durch die jahrhundertealte Feindschaft haben sich beide Länder kulturell möglichst weit voneinander entfernt, so dass sie sich gegenseitig heutzutage mehr als fremd sind.

Das geht bis zur Frage der Ernährung. Kayiner sind aus Überzeugung weitgehend Vegetarier, die wie Schrate ihren Eiweißbedarf nur durch Insekten und tierische Produkte wie Milch und Eier decken. Ersteres führt zu dem mevongadischen Schimpfnamen „Spinnenfresser“, während die Mevongader in Kayine-Onata als Raubtiere und „Blutesser“ verschrien sind.

Es gibt in Kayine-Onata keine Familiennamen. Jeder bekommt bei Geburt einen Namen von den Eltern und kann sich im Laufe seines Lebens Beinamen verdienen. Bei berühmten Personen kann der Name am Ende des Lebens durchaus schon mal aus zehn Bestandteilen bestehen, von denen dann natürlich nur die ersten drei oder vier im normalen Sprachgebrauch benutzt werden.
Die Beinamen werden in einer jährlichen Zeremonie vom lokalen Kleriker verliehen, nachdem sie vorher von Leuten aus der Umgebung des Betreffenden eingereicht wurden. Ein Beiname braucht eine Mindestzahl von 20 Unterstützern und muss dann noch vom Kleriker wortwörtlich abgesegnet werden, der den Namen mit seinem Gott bespricht und nur nach dessen Zustimmung tatsächlich verleiht.

Ihr Glaube ist letztlich nur eine Abwandlung der Himmelslichtsreligion, die sich aber ursprünglicher gehalten hat. Hier glaubt man an eine Ansprechbarkeit und häufigeres Eingreifen des Himmelslichtes, das zwar auch in dieser Religionsform keine Person ist, das aber trotzdem angesprochen und um Rat gefragt werden kann. Dazu benutzt der Kleriker das Sonnenlicht, das als das „Auge“ des Himmelslichtes gilt und damit als Orakel benutzt werden kann. Durch Schattenspiele einerseits und die Bündelung des Lichtes in einer Linse und das damit verbundene Brennen von Holz andererseits zeigt das Himmelslicht seinen Willen. Dabei gibt es natürlich auch in Kayine-Onata Menschen, die jede Kleinigkeit vom Himmelslicht abgesegnet haben möchten, und solche, die nur ganz selten einen Kleriker aufsuchen.

Es hat auch religiöse Gründe, dass die Sexualität in Kayine-Onata völlig anders gelebt wird als in Mevongad, denn der Orgasmus ist für Kayiner ein Moment der Verbindung mit dem Himmelslicht. Gleichzeitig ist Sex eine intime Tätigkeit, mit der eine zwischenmenschliche Bindung zementiert wird – in einem religiösen Moment der Vereinigung miteinander und mit dem Licht. Diese Verbindung heißt auf Kayinisch „hemyessa“. Dabei ist es aber gleichgültig, ob diese Bindung freundschaftlich oder romantisch ist. Kayiner unterscheiden also deutlich zwischen romantischer und sexueller Anziehung. Ist man in eine Person verliebt, hat man natürlich auch Sex mit ihr, aber gleichzeitig wird man weiterhin auch mit anderen Menschen schlafen, die einem nahestehen. Außerdem ist für einen sexuellen Kontakt auch nicht unbedingt sexuelle Anziehung nötig – es gehört sich, eine enge Bindung irgendwann durch eine sexuelle Handlung (das muss nicht unbedingt Geschlechtsverkehr im engeren Sinn bedeuten, auch Petting oder ein intensiver Zungenkuss sind legitim, wenn man das andere nicht möchte) zu besiegeln.
Es ist allerdings nicht in Ordnung, so etwas wie eine Geschäftsbeziehung auf diese Ebene zu ziehen, um Vorteile zu erlangen. Damit würde man das Himmelslicht verärgern. Ebenso natürlich bei Gewalt oder gezwungenem Geschlechtsverkehr.

Daraus resultiert auch das völlig andere Familienbild, das in Kayine-Onata vorherrscht. Eine Frau kennt sich gut mit ihrem Zyklus und ihren fruchtbaren Tagen aus und kann so in gewissem Maße Geburtenkontrolle betreiben; wenn sie dabei trotzdem schwanger wird, ist das Kind aber immer willkommen. Wenn sie es selbst nicht großziehen möchte und auch der Vater oder andere Verwandte keine Möglichkeit dazu sehen, gibt sie es zur Adoption frei – es kommt selten vor, dass Menschen ihre gesamte Kindheit in einem Waisenhaus verbringen, dazu ist Familie Kayinern zu wichtig, und wer nur irgend kann, nimmt ein Waisenkind in die Familie auf. Die Familie ist daher etwas anderes als beispielsweise in Mevongad: Die Genetik des Kindes spielt keinerlei Rolle, sondern seine Erziehung und der Familienverband. Natürlich ist das nicht immer so durchzusetzen, natürlich gibt es Eltern, die ihre biologischen Kinder den anderen vorziehen, aber es ist eigentlich nicht erwünscht und verärgert das Himmelslicht.

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