Carolin Wahl: Vielleicht jetzt – oder: Erwartungen, Ansprüche und die Magie von „Och, klingt ganz nett …“

(Manchmal müssen Titel lang sein … 😁)

Ich habe neulich auf BookTube versucht, Leute zu finden, die einen ähnlichen Geschmack haben wie ich. Schwierig, weil die meisten großen Kanäle, die man findet oder vorgeschlagen bekommt, voll auf der BookTok-Schiene fahren: Romantasy-Sonderausgaben mit Farbschnitt und Covern, die eins wie das andere aussehen, aber immer irgendwas Güldenes oder Glitzerndes drauf haben, vor allem Titel im Metall-Look. Sorry, höre schon auf zu lästern, aber mal ehrlich – nur weil ein Cover so funktioniert, müssen doch nicht alle anderen Bücher mit minimalen Variationen des selben Designs erscheinen, oder?

Ein E-Reader mit dem Cover von "Vielleicht jetzt" liegt beben einer Kuscheldecke auf einem Sessel.

Die Videos waren teils trotzdem ganz unterhaltsam, und darum habe ich eins gesehen, bei dem die Vloggerin eine Buchtrilogie in die Kamera hielt, die sie zur Leipziger Buchmesse zum Signieren mitnehmen wollte, und das Cover sah nicht wie alle anderen aus!!! Ich musste es sofort googlen und stellte fest, dass es wie erwartet auch kein Romantasy war, sondern einfach Romance im Hier und Jetzt. Der Plot klang irgendwie unterhaltsam (Brasilianerin kommt für ein Praktikum in einer Catering-Firma nach München, um dort ihren Erzeuger undercover kennenzulernen und verliebt sich dabei in ihren direkten Vorgesetzten in der Küche), die Leseprobe zeigte mir, dass der Stil angenehm zu lesen war, und es gab das Buch in der Onleihe, also hab ich es mir mal ausgeliehen – und innerhalb von zwei Tagen durch gehabt.

What?

Zwei Tage? Während ich bei allen Büchern, die mich wirklich interessieren, irgendwann in der Mitte aufhöre und aus unerfindlichen Gründen mich furchtbar überwinden muss, weiterzulesen?

Warum?

Als ich darüber eben nachdachte, kam mir eine kleine Erleuchtung: Vermutlich ist das so, weil ich zum einen natürlich das Buch ausgeliehen hatte und es zurückgeben musste (dafür hätte ich allerdings drei Wochen gehabt, nicht zwei Tage), vor allem aber: Weil ich mir nichts davon erwartet hatte.

Nichts von dem Buch, nichts von mir. Völlig ohne Druck: Ich lese mal rein, wenn es mir nicht gefällt, kann ich ja aufhören. Und genau das gelingt mir bei den Büchern, die ich mir sonst ausleihe oder kaufe, oft nicht, weil ich dann will, dass sie mir gefallen.

Außerdem war es von vornherein klar, dass es leichte Unterhaltung sein würde. Nix zum Denken, nix, was mich wirklich tief reinsaugen würde – weil es halt auch ein Genre ist, das ich nur alle paar Monate mal lesen mag.

Und im Grunde ist das das Gleiche wie mit meinem „Siebten Raben“, mit dem ich so viel Spaß hatte, weil ich nichts von mir und der Geschichte erwartet habe, außer eben einfach Freude am Schreiben zu haben. Und trotzdem mag ich die Geschichte, die Charaktere und die Handlung sehr, und es haben sich durchaus auch tiefgründige Themen hineingeschmuggelt, ohne dass ich das so beabsichtigt hätte.

„Vielleicht jetzt“ ist eben genauso eine Geschichte: Im Großen und Ganzen einfach nur nette Romantik-Unterhaltung mit Grumpy-Sunshine-Trope, aber es hat auch noch die Storyline mit dem Vater drin, die ich sehr berührend fand, und Gabriella, die Hauptfigur, findet in ihren WG-Mitbewohnerinnen zwei sehr gute Freundinnen, die ihrerseits teils eine schwierigere Hintergrundgeschichte haben (die in den beiden Folgebänden ausgeführt wird, die ich aber vorerst nicht lesen werde, weil wie gesagt eine Romanze für ein paar Monate genug ist). Da sind Menschen drin mit Charakter. Und das mag ich immer.

Nur: Wie kriege ich es hin, dass ich mich auf die Bücher, die mich wirklich reizen, genauso locker-flockig einlassen kann? Und warum mache ich mir sogar beim Lesen so einen dämlichen Druck? Ich meine, es ist ja nicht mal so, dass ich mir lauter schwere Literatur oder Klassiker oder tausend Sachbücher vornehme. Ich dachte eigentlich, ich hätte tatsächlich keine Ansprüche an das, was ich lesen möchte. Aber irgendwie wohl doch.

Seufz.

Na, vielleicht sollte ich mir dann einfach erst mal wild irgendwelche Bücher aus der Onleihe ziehen und mich damit wieder in den Lesefluss bringen, so dass ich den Anspruch an die Sachen auf dem SuB dann möglicherweise auch leichter loslassen kann.

Einen Versuch wäre es wert.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Konstanze

    Erschreckenderweise kenne ich diese Gedanken, die dir zu deinem „ganz netten“-Buch durch den Kopf gegangen sind, nur zu gut. Bei mir sind es in der Regel Cozy Mystery (mal mit, mal ohne Fantasyanteil), die sich so weglesen lassen. Wenn ich Glück habe, dann unterhalten sie mich gut, wenn ich Pech habe, dann ärgere ich mich darüber (was mir immerhin etwas zum Schreiben für den Blog gibt 😉 ). Während ich gleichzeitig einen riesigen Haufen Bücher hier liegen habe, an die ich deutlich höhere Erwartungen setze … und für dich ich nicht genugend Konzentration aufbringen kann. Zumindest habe ich oft das Gefühl, dass ich nicht genug beim Buch bin, um einem guten Buch gerecht zu werden, und statt mir dann die Zeit zu nehmen, um in die Geschichte oder das Thema reinzufinden, greife ich dann doch wieder nach einem Titel, bei dem es mir egal ist, wenn ich das Geschriebene nicht so „würdigen“ kann.

    Mir hilft es dann oft, wenn ich mir bewusst eine Stunde Zeit für ein Buch nehme. Ohne Ablenkung (also ohne Ehemann im Haus und ohne Smartphone bei der Hand) mit etwas Leckerem zu Trinken und einem Wecker, der mir Bescheid sagt, wenn die Stunde vorbei ist. Lustigerweise ist der Wecker für mich wirklich hilfreich, weil er mir signalisiert, dass ich in dieser Stunde nichts anderes zu tun habe als Lesen. Und nachdem ich dir jetzt aufgeschrieben habe, was mir normalerweise hilft, um Bücher zu lesen, die ich doch eigentlich wirklich lesen will, nehme ich mir das mal direkt für dieses Wochenende vor – in den letzten Tagen klappte es mit dem Lesen nämlich mal wieder nicht so richtig …

    1. Birthe

      Das ist eine schöne Idee – tatsächlich quasi ein Date mit dem Buch … Das werde ich auch mal ausprobieren. Ob ich das mit dem Wecker mache, weiß ich allerdings nicht, ich glaube, das stresst mich dann wieder. Andererseits – beim Schreiben im November sind auch immer die Zeiten des Staffelschreibens am produktivsten, wenn ich mich für genau eine Stunde Durchschreiben verpflichtet habe und danach den „Staffelstab“ an den/die nächsten Wrimo weitergeben muss. Könnte beim Lesen ja genauso sein …

  2. Konstanze

    Für mich funktioniert es mit dem Wecker auch deshalb, weil ich mir damit zusätzlich die Erlaubnis gebe, dass ich nach einer Stunde das Buch weglegen kann, wenn ich mit meinem „Leseerlebnis“ nicht zufrieden bin. Was normalerweise nicht der Fall ist, wenn ich erst einmal eine Stunde gelesen habe, dann bin ich so drin, dass ich nach dem Wecker einfach weiterlesen mag. *g* Du kannst ja mal ausprobieren, ob es dir hilft.

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